ipw lectures: Die prekäre Staatlichkeit im Prozess der postkommunistischen Transformation
9. Dezember 2016, 17:00 - 19:00
In den Theorien der großen Umbrüche seit 1989 ist die Rolle des Staats eigentümlich unterbelichtet geblieben. Das hing zweifellos mit der Stimmungslage in den Sozialwissenschaften der 1990er Jahre zusammen, in denen Märkte zum organisatorischen Prinzip gesellschaftlicher Modernisierung stilisiert und durch wenig konturierte Vorstellungen von Zivilgesellschaft, von trans- oder postnationalem Regieren (‚governance)‘, durch einen elitentheoretisch verkürzten Demokratiebegriff oder andere Ersatzkonstruktionen ergänzt wurden.
Zwei vernachlässigte Konzepte, die im Kontext der postkommunistischen Krisen entwickelt wurden, schienen geeignet, Staatlichkeitsprobleme ins rechte Licht zu rücken: State desertion und state capture wurden eingeführt, um die unterschiedlich erfolgreiche Auswege aus dem Kommunismus oder auch den Zusammenbruch der Transformation zu erklären. Insbesondere helfen sie, das Scheitern der ukrainischen Politik und die Rückschläge der Demokratie in Polen zu verstehen. Nicht zuletzt eröffnet ein angemessenes Verständnis von Stateness-Problemen neue Perspektiven auf die Krisen westlicher Länder und der EU.
Vortragender: Klaus Müller
Discussant: Gabriele Matzner-Holzer
ipw.lectures sind eine eine internationale Vortragsreihe des Instituts für Politikwissenschaft, Universität Wien.